Höllenfahrt auf der "Transsibirischen"
Wer von den beiden Bremerhavenern geglaubt hat, die Strapazen durch schlechte Wegstrecken und klirrende Kälte hätten mit der Fahrt auf der transsibirischen Eisenbahn ein Ende gefunden, der hat sich geirrt.
Auf der Reise von Chita in den östlichsten Teil von Rußland nach Chabarovsk erleben Manni und "Matterhorn" eine Höllenfahrt.
Auf dem Bahnhof in Chita wird Ente "Difty" auf einer offenen Plattform festgelascht. Währenddessen erledigen die beiden Abenteurer sechs Stunden lang alle Formalitäten, u.a. muß die Feuerwehr anrücken, um das Benzin abzupumpen. Die Thermoskanne wird zum Feuerlöscher umfunktioniert. Manni und "Matterhorn" müssen im 2 CV zwischen 70 bis 80 Waggons, darunter Tankwagen, auf der freien Plattform mitreisen.
Vier Tage und drei Nächte durchleben sie 1000 Kilometer in höchster Anspannung ohne sich waschen oder rasieren zu können. Es gibt keine sanitären Einrichtungen, wie z.B. eine Toilette.
########
"Niemand würde uns so wiedererkennen", schreibt "Matterhorn" in seinem Fax an das Büro in Bremerhaven, " unsere Kleidung ist voll von Ruß, Öl, Dreck, Nässe und Kälte, und nirgends gibt es Verpflegung. Einmal sengt die Sonne und es sind 35°, dann wieder Sturm und Eis. Wir haben drei Tage lang von vier Dosen Ölsardinen und einer Dose Aldi Brot gelebt!" Die Hilfe der Russen, die sie mit heißem Wasser für Tee versorgen nehmen sie dankend und gerne an. Auf jedem Bahnhof werden die Züge neu zusammengestellt, das bedeutet stundenlanges Rangieren. "Einmal wurden wir 16 Stunden lang nur rangiert", berichtet der Co-Pilot "Matterhorn", " über Ablauframpen und Schienenstöße, bis wir endlich mit lautem Kupplungsknall die Endposition erreicht haben. Zum Schlafen kommen wir nur stundenweise. Dann geht die Fahrt weiter durch Sümpfe, Berge und Täler, und permanent müssen wir uns festen Halt verschaffen wenn wir nicht runterfallen wollen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie solch eine Angst gehabt. Manni und ich machen uns gegenseitig Mut."
Aber irgendwann ist auch dieser Horrortrip vorbei und die beiden haben wieder den "festen" Boden der Ente unter den Füßen.
Nach einer 15-stündigen Rumpelfahrt landen sie in einem kleinen Nest mit dem Namen Oblutsche (Obluschye) dicht an der Grenze zur Mandschurei in der Amur Provinz zwischen Blagowjeschtschensk und Khabarovsk. Daß "Difty" immer noch surrt und schnurrt wie eine Nähmaschine haben sie Heiko Seifert, dem Bremerhavener Hobby-Restaurateur zu verdanken. Sie finden eine "Unterkunft", von der Beschaffung her eher eine "Absteige". Vor der Tür lungern angetrunkene Einheimische herum, die nach harter Tagesarbeit offensichtlich ihren Feierabend genießen. "Matterhorn" versucht bei der ebenfalls angetrunkenen Managerin den Preis zu drücken. Manni verläßt kurz den Wagen, um bei der Übersetzung zu helfen. Beide reden mit Händen und Füßen, aber sie dürfen nicht bleiben.
#########
Als sie wieder zum Auto kommen, stellt Manni fest, daß er zwar die Vordertüren verschlossen hat, nicht aber die hinteren. Fazit: Seine rote Jacke mit sämtlichen Papieren ist verschwunden, wie auch das "Scrapbook" ( ein Album mit wichtigen Dokumenten und allen Berichten und Bildern der ersten Weltreise), zwei Autoatlanten und das so wichtige Wörterbuch. Manni hat nur noch seinen Personalausweis, und der reicht nicht aus, um die Reise fortsetzen zu können.
Wer immer das "Scrapbook" entwendet haben mag, er kann herzlich wenig damit anfangen, außer es als Brennmaterial zu verwenden, und das wäre ein unglaublicher Verlust. Aus diesem Grund hat das "Around The World" Büro in Bremerhaven Kontakt mit der russischen Pressezentrale in Wladiwostock aufgenommen und verspricht demjenigen $300, der das Buch unversehrt dort abgibt.
Das Büro in Bremerhaven bemüht sich zur Stunde um Ersatzpapiere, die den bestohlenenen Weltreisenden als Kopie per Fax zugeschickt werden sollen. Alles weitere müssen die beiden vorort selbst klären, wie z.B. Kontakt zur japanischen Botschaft herstellen - Japan liegt quasi vor der Tür.
Manni und "Matterhorn" legen großen Wert darauf, daß dieser Zwischenfall nicht unnötig aufgebauscht wird damit kein falsches Bild entsteht. Immerhin sind die beiden überall in Rußland freundlich und herzlich aufgenommen worden, und jedermann wünschte ihnen nur das Beste für eine gute Weiterfahrt. Das geht deutlich aus allen bisherigen Berichten hervor.
#########
Jetzt sitzen sie in Wladiwostock in einem Apartment fest, das ihnen freundlicherweise von einer kanadisch-russischen Firma kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, und wissen zur Zeit noch nicht wie es weitergehen soll. Es ist Wochenende und ohne Reisepaß und Wagenpapiere geht es jedenfalls nirgendwo hin.
gbm...03.07.99